Wissenswertes aus der DDR
Küche, Kreativität und Kombinierkunst – Alltagsimprovisation in der DDR
Wer an die DDR denkt, hat schnell Plattenbauten, Trabant und Mangelwirtschaft vor Augen. Doch jenseits politischer Systeme und ideologischer Grenzen spielte sich das wahre Leben vor allem dort ab, wo es riecht, klappert und gelebt wird: in den Küchen, Kellern und Werkstätten der Menschen. „Not macht erfinderisch“ – dieser Spruch war im Osten kein kluger Kalendersatz, sondern gelebter Alltag. Denn wo es an vielem fehlte, wuchs die Kreativität. Die DDR war ein Land des Improvisierens – und das spiegelte sich besonders in der Küche, beim Heimwerken und im Erfindungsgeist ihrer Bürgerinnen und Bürger.
Die Küche – Herzstück des DDR-Haushalts
In kaum einem Raum zeigte sich die DDR so bodenständig, einfallsreich und herzlich wie in der Küche. Auch wenn es keine riesigen Supermarktregale oder exotischen Zutaten gab, wurde gekocht, gebrutzelt und eingeweckt, was der Wochenmarkt, der Garten oder der „Westpaket“ hergaben. Typisch waren einfache, aber nahrhafte Gerichte: Soljanka aus Resten, Broiler aus der „Grillhähnchenbude“, Nudeln mit Tomatensoße aus selbst eingekochtem Mark oder süße Klassiker wie Grießbrei, Kalter Hund oder Eierschecke.
In vielen Haushalten gehörten Einweckgläser, Schnellkochtöpfe und ein ordentlich gefüllter Keller zur Standardausstattung. Obst wurde zu Kompott verarbeitet, Gemüse eingelegt, Saft gepresst und Marmelade gekocht – nicht nur aus Nostalgie, sondern aus Notwendigkeit. Denn wer selbst konservierte, war unabhängiger vom sprunghaften Angebot im Konsum oder HO-Laden.
Der Herd wurde häufig zur multifunktionalen Station: Auf ihm wurde nicht nur gekocht, sondern auch improvisiert – zum Beispiel beim Einkochen von Seife oder beim Schmelzen von Kerzenresten für neue Lichtquellen in Zeiten von Stromausfällen. Und wer im Besitz eines elektrischen Mixers oder eines WMF-Dampfentsafters war, galt schon als technikaffiner Trendsetter.
Heimwerken – „Mach’s dir selbst“ als Lebensphilosophie
Wer in der DDR etwas brauchte, musste entweder Beziehungen haben, Geduld mitbringen – oder es einfach selbst bauen. Die Do-it-yourself-Kultur war nicht nur eine Freizeitbeschäftigung, sondern ein Überlebensprinzip. Vom selbstgebauten Hängeschrank bis zur improvisierten Satellitenschüssel – überall wurde gewerkelt, geschraubt und genagelt.
Der Baumarkt, wie man ihn heute kennt, war ein ferner Traum. Stattdessen wurden Schrauben gesammelt, Bretter auf Vorrat gelagert und Nägel gerade gebogen, wenn sie sich verbogen hatten. Die Keller und Garagen waren Werkstätten, in denen Vatis mit viel Geduld aus Restholz, Altmaterial und ausrangierten Gegenständen Neues schufen. Beliebt war das "zweckentfremdete Weiterverwenden": Aus Senfgläsern wurden Trinkgläser, aus Waschmittelschachteln Spielzeugburgen, aus abgetragenen Jeans Handtaschen.
Besonders beliebt: „Jugend forscht“ für Erwachsene. Wer zum Beispiel eine Abzugshaube brauchte, bastelte sich eine aus einem alten Küchenventilator und Blechplatten vom Schrottplatz. Für den eigenen Schrank in der Datsche wurde das Holz aus alten Verpackungskisten verwendet. Die DDR war ein riesiger DIY-Spielplatz – allerdings ohne Anleitung, aber mit viel Erfindergeist.
Improvisieren – vom Mangel zur Tugend
Improvisieren war in der DDR kein Zeichen von Unfähigkeit, sondern von praktischer Intelligenz. Wer sich zu helfen wusste, wurde bewundert – ob im Haushalt, beim Kindergeburtstag oder beim Auto. Ersatzteile waren rar, also wurden Zahnräder nachgefeilt, Gummischnüre umfunktioniert, Motoren selbst repariert.
Ein Klassiker: die Kombination. Wer etwa keinen Senf hatte, mischte Essig mit etwas Currypulver und Zucker. Wer keine Butter bekam, verwendete Schweineschmalz. Und wer kein Geschenkpapier hatte, griff zum Tapetenrest. Weihnachten wurde mit Watte und Alufolie gebastelt, Ostereier mit Rote-Bete-Saft gefärbt, Laternen für den Umzug aus Marmeladengläsern gezaubert.
Auch der „kleine Grenzverkehr“ mit der BRD oder Westpakete brachten neue Materialien und Ideen ins Land – diese wurden aber oft nicht einfach übernommen, sondern kreativ in das eigene System integriert. So entstanden kuriose, aber charmante Mischformen: VEB-Produkte kombiniert mit Nivea aus dem Westen, ein Trabant mit VW-Sitz oder DDR-Radio mit Westlautsprechern.
Kurz um - Unser Fazit:
Die DDR war kein Ort des Überflusses, aber einer der Einfälle. In Küche, Heim und Handwerk zeigte sich die wahre Stärke ihrer Bürger: der Mut zum Machen, der Stolz auf das Selbstgeschaffene und die große Fähigkeit, aus Wenigem das Beste zu machen. Diese Alltagstugenden haben bis heute viele Menschen geprägt – nicht nur als Erinnerung, sondern als Lebenshaltung: pragmatisch, kreativ und mit einem Augenzwinkern ausgestattet.
In unserer Rubrik „Wissenswertes rund um die DDR“ wollen wir genau diesen Schatz des Alltagswissens heben. Denn Geschichte ist nicht nur das, was in den Archiven steht – sondern auch das, was in den Küchen, Werkstätten und Herzen der Menschen weiterlebt.